Narkolepsie – REM - Schlafmangel

Lange Zeit wurden folgende Symptome mit Narkolepsie in Verbindung gebracht:

  • Plötzliches Einknicken der Vorderbeine oder sogar Umfallen des Pferdes
  • Dadurch entstehen nicht abheilende Verletzungen oder Narben vorne auf den Karpal- oder Fesselgelenken
  • Schlafstörungen

Narkolepsie beim Menschen

Narkolepsie ist eine seltene neurologische Erkrankung und betrifft ca. 40.000 Menschen in Deutschland. Erste Symptome treten oftmals während der Pubertät bzw. im jungen Erwachsenenalter auf. Hauptsymptome der Erkrankung sind eine chronische und schwere Tagesschläfrigkeit, Einschlafattacken und kataplektische Anfälle, d.h. ein durch eine starke Gefühlsregung ausgelöster plötzlicher Verlust der Muskelanspannung. Zu diesen emotionalen Auslösern gehören Freude, Lachen, Scham, Begeisterung, Ärger, Erregung oder Schreck, allgemeiner ausgedrückt starke Emotionen. (Wikipedia)

Seit kurzem erst ist es technisch möglich, das Schlaf- und Ruheverhalten von Pferden durch objektive Messungen, wie sie auch in humanmedizinischen Schlaflaboren eingesetzt werden (polysomnographische Messungen) zu untersuchen. Dadurch konnten erstmals komplette Schlafprofile von Pferden in ihrer gewohnten Umgebung erstellt werden. Diese Methodik wurde in den Untersuchungen der Tierärztinnen Christine Fuchs und Lena Charlotte Kiefer von der Ludwig-Maximilian Universität München (LMU München) genutzt.

  • Schlafverhalten und Physiologie des Schlafes beim Pferd auf der Basis polysomnographischer Untersuchungen, von M. M. – C. N. L. B. Kalus, München 2014
  • Narkolepsie oder REM-Schlafmangel? 24-Stunden-Überwachung und polysomnographische Messungen bei adulten „narkoleptischen“ Pferden, von C. Fuchs, München 2017
  • Untersuchungen zu Schlafstörungen beim Pferd: Narkolepsie versus REM-Schlafmangel, von L. C. Kiefner, München 2016

Diese Studien legen den Schluss nahe, dass es sich bei dem Krankheitsbild nicht um Narkolepsie sondern um einen REM-Schlafmangel handelt.

Das normale, arttypische Schlafverhalten von Pferden (Kalus, 2014)

Das Fluchttier Pferd schläft im Vergleich zum Menschen und vor allem zu Fleischfressern deutlich weniger und mit einem anderen Muster, doch es benötigt ebenso eine mehr oder weniger regelmäßig wiederkehrende Regenerationsphase. Pferde ruhen und liegen über die vollen 24 Stunden des Tages verteilt. Der Gesamtschlaf von gesunden Pferden liegt bei 5h bis zu 9h pro Tag. Die meiste Zeit allerdings nachweislich zwischen Mitternacht und frühem Morgen bzw. Sonnenaufgang. In diesem Zeitraum finden dementsprechend auch die Tiefschlafphasen statt. Die Pferde schlafen 3,4h nachts und dies liegend bis zu 132 Minuten. Die Liegezeit ist auf 1-5 Phasen verteilt.

Schlafphasen

Leichtschlaf: erste Phase nach dem Wachzustand
Tiefschlaf (Slow Wave Sleep): meistens liegend, Tiefschlaf, nicht alle Gehirnregionen betreffend
REM- Schlaf: `Traumschlaf`, vollständiges Erlöschen der Muskelspannung

NachtschlafGesamtschlafLeichtschlafTiefschlafREM Schlaf
Dauer Stunde (h)3,3 h0,5 h1,5 h0,5 h
Im Stehen (min.)10123780
In Brustlage (min.)101146225
Im Seitenlage (min.)12246

Nachtschlaf

Gesamtschlaf
Dauer Stunde (h)3,3 h
Im Stehen (min.)101
In Brustlage (min.)101
Im Seitenlage (min.)12
Leichtschlaf
Dauer Stunde (h)0,5 h
Im Stehen (min.)23
In Brustlage (min.)14
Im Seitenlage (min.)2
Tiefschlaf
Dauer Stunde (h)1,5 h
Im Stehen (min.)78
In Brustlage (min.)62
Im Seitenlage (min.)4
REM Schlaf
Dauer Stunde (h)0,5 h
Im Stehen (min.)0
In Brustlage (min.)25
Im Seitenlage (min.)6

Beim REM-Schlaf in Brustlage stützen die Pferde ihren Kopf auf. Während Pferde – wie alle Einhufer – die Besonderheit aufweisen, dass sie zum Schlafen im Stehen fähig sind (diese Form ist insbesondere tagsüber die gängigste Art der Erholung), erreichen sie in dieser Position mit erhöhtem Muskeltonus nicht alle Schlafphasen.

Insbesondere die zwar nur kurze, aber für die Regeneration und damit die Gesundheit äußerst wichtige Phase des REM- oder Traumschlafes, die durch den Verlust der Muskeltonusaktivität sowie durch schnelle gegenläufige Augenbewegungen gekennzeichnet ist, kann beim Pferd nur im Liegen in Brustlage mit aufgestütztem Kopf oder in kompletter Seitenlage stattfinden. Einzelne Nächte ohne diese Schlafphase sind zwar möglich, das dauerhafte Ausbleiben von REM-Schlaf ist allerdings schädlich für die Gesundheit, da das Pferd ihn zur Regeneration benötigt (Schöning, 2014).

Fazit: Obwohl Pferde auch im Stehen schlafen können sind sie dennoch auf Schlaf im Liegen angewiesen!

Schlafstörungen beim Pferd: Narkolepsie und REM –Schlafmangel

Narkolepsie

  • Selten
  • Tritt im Fohlenalter auf
  • Rasse - assoziiert
  • Auslösung durch emotionale Situation
    • Fohlen wird aus dem Stall auf die Weide gebracht
  • Normales Schlafverhalten nachts
  • Tagesschläfrigkeit bis zum Niedergehen der Tiere
  • Stärke, Dauer und Frequenz der Episoden nehmen mit der Zeit ab
  • Auslösung durch die intravenöse Gabe von Physostigmin

Familial narcolepsy in the Lipizzaner horse: a report of three fillies born to the same sire
E. Ludvikova , S. Nishino, N. Sakai und P. Jahn (2012) Vet. Quarterly 32, 99–102

REM - Schlafmangel

  • Symptome entsprechend einer Narkolepsie
    • Dösen mit tief hängendem Kopf
    • Einknicken der Vordergliedmaße bis hin zum totalen Kollaps (Versuch des REM-Erwachen)
    • Verletzungen an Lippen, Kopfbereich, an Fesselköpfen oder am Vorderfußwurzelgelenk
    • Kopf auf der Stalltür oder anderswo ablegen, auf die Futterkrippe setzen oder sich rückwärts in eine Ecke des Stalls positionieren
    • Schürfwunden und Narben an den betroffenen Stellen
  • Auslöser ist chronischer Schlafmangel
  • Untersuchte Pferde zeigten viel weniger Tiefschlaf und viel weniger REM-Schlaf
  • Mangel an Schlaf im Liegen
  • Pferde in einem Alter von > 15 Jahre öfter betroffen
  • keine Störung des zentralen Nervensystems
  • keine Veränderungen der Blutparameter
  • normales Wälzverhalten

Zur Verfügung gestellt von Christine Fuchs Tierklinik Lüsche

Ursachen für Schlafmangel

  • Haltungsbedingungen welche die Komfortbedürfnisse des Pferdes nicht ausreichend berücksichtigen
    • Mangel an geeigneter Einstreu, feuchte Einstreu oder überhaupt keine Einstreu in einer Box bzw. im Stall
    • Pferde liegen auf Stroheinstreu 3 Mal so lange in Seitenlage als auf Holzspänen
    • Das Pferd fühlt sich in seiner Umgebung nicht sicher
  • Schmerzen beim Hinlegen oder Aufstehen verhindern, dass sich das Pferd zum Schlafen hinlegt
    • Erkrankungen des Bewegungsapparates oder Schmerzen im Brust- und Bauchbereich, die beim Hinlegen oder Aufstehen ausgelöst werden

Die Therapiemaßnahmen bei Pferden mit Schlafmangel richten sich nach dem (den) auslösenden Faktor(en). Werden diese korrekt identifiziert und anschließend beseitigt werden auch die Tagesschläfrigkeit sowie die anderen Symptome rasch zurückgehen.